Wiederherstellung, Sicherung und Aufwertung von Wegerandstreifen

Die Ratsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stellt nachfolgenden Antrag, mit der Bitte um Vorberatung im zuständigen Ausschuss sowie zur Beratung und Beschlussfassung in der nächsten Gemeinderatssitzung am 08.07.2021.

Sachverhalt

Wegerandstreifen erfüllen wichtige Funktionen im Naturhaushalt. Der Niedersächsische Wegrain-Appell (s. Anhang) fasst die wesentlichen Faktoren zusammen:

  • Auf Wegerandstreifen wachsen verschiedene Gräser und Blütenpflanzen, die wiederum Nahrung und Lebensraum für Tierarten, v.a. für Insekten, Kleinsäuger und Vögel bieten. Die Funktionen bestehen über den gesamten Jahreslauf, so sind auch Überwinterungsverstecke für Insekten in Pflanzenstängeln oder Grasnestern elementar.
  • Der Beitrag von Wegerandstreifen als Elemente eines Biotopverbundsystems ist für den Austausch vieler Pflanzen- und Tierarten als außerordentlich hoch einzustufen.
  • Für wirtschaftliche Bedeutung wird im Wegrain-Appell die Bedeutung des Erosionsschutzes, Schutz vor Staub- und Schneeverwehungen, der Schädlingsregulierung sowie die Pufferfunktion von Düngemitteln und Herbiziden im Übergang zu natürlichen Habitaten angegeben. Zusätzlich wird der Abfluss von Oberflächenwasser durch die Wegerandstreifen reguliert.
  • Kulturhistorisch, sowie für das Landschaftsbild haben Wegraine bei guter Ausgestaltung ebenso eine hohe landschaftstypische Eigenart.

Aus dem Bundesnaturschutzgesetz resultiert gem. § 2 Abs. 1 die Verpflichtung, dass „jeder nach seinen Möglichkeiten zur Verwirklichung der Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege beitragen und sich so verhalten muss, dass Natur und Landschaft nicht mehr als nach den Umständen unvermeidbar beeinträchtigt werden“.

Wie in vielen weiteren Teilen der Agrarlandschaft wird auch in der Gemeinde Hilter beobachtet, dass Wegerandstreifen als gemeindeeigene Flächen durch die angrenzende landwirtschaftliche Praxis in Nutzung genommen werden („unter den Pflug genommen“) und somit nicht mehr in ihrer eigentlichen Größe bestehen. Weiterhin werden die Randstreifen teilweise durch Pestizide sowie Dünger beeinträchtigt. Derartige Veränderungen der Größe und Qualität von Wegeseitenrändern schränken die Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes ein und stellen Verletzungen des Eigentums der Gemeinde dar. Die Gemeinde ist gem. § 124 Abs. 2 Niedersächsisches Kommunalverfassungsgesetz verpflichtet, „die Vermögensgegenstände [.. .] pfleglich und wirtschaftlich zu verwalten und ordnungsgemäß nachzuweisen“; zu den Vermögensgegenständen gehören die gemeindeeigenen Grundstücke.

Eine Anpassung der Pflegeintensität der Wegerandstreifen bietet die Möglichkeit, verschiedene ökologische Funktionen zu verbessern.

Daher beantragt die Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen die folgenden Punkte:

Antrag

1. Klärung der Frage: Wie groß ist der Umfang an Flächen an Gemeindewegen, die durch angrenzende Landwirtschaft in Nutzung genommen wurde und nicht mehr oder nicht mehr in voller Ausdehnung dem Naturschutz und der Landschaftspflege zur Verfügung stehen?

  • Zum methodischen Vorgehen siehe z.B. ILEK-Region „Börde Oste-Wörpe“, LK Rotenburg (Wümme), verfügbar z.B. unter http://wegraine.naturschutzinformationen.nrw.de/wegraine/web/babel/media/leitfaden-wegerandsteifen_web.pdf

2. Anpassung der Pflege der gemeindeeigenen Wegerandstreifen „Naturschutz durch Unterlassen“; Erstellung eines flächenscharfen Pflegekonzepts für die gemeindeeigenen Wegerandstreifen abhängig von dem Status quo und den örtlichen Gegebenheiten

Veränderung der Pflege im Sinne der Hinweise der Landwirtschaftskammer Niedersachsen sowie der Stiftung Kulturlandpflege Niedersachsen (s. Anhänge)

  • Extensive Mahd: max. 1 m breit von der Fahrbahnkante, Mosaikpflege (z.B. Abschnitte bilden, die nur alle drei Jahre gemäht werden, gegenüberliegende Wegeränder zu unterschiedlichen Zeiten mähen, in der Breite einen Teil der Vegetation stehen lassen als Überwinterungsgelegenheit v.a. für Insekten
  • Ggf. stellenweise Abfuhr des Mahdguts zur „Ausmagerung“ der Saumbiotope (dadurch Förderung von weniger konkurrenzstarken blütenreichen Pflanzen, anderenfalls werden hochwüchsige Gräser und Brennnesseln weiter gefördert), s.a. IDUR
  • Anpassung der Schnitthöhe auf mindestens 10 cm, um bodenlebende Insekten und niedrig wachsende, blühende Kräuter zu schonen (kein Braunmulchen)

Ausdrücklich hingewiesen sei auf die Aussage der Landwirtschaftskammer, dass „eine regelmäßige Mahd von Saumbiotopen aus reiner Ordnungsliebe unnötig“ ist (Empfehlungen der LWK s. Anhang). Die Weiterführung der Mahd aus Gründen der Sicherungspflicht, Herstellung der Passierbarkeit oder für den schadlosen Wasserabfluss ist davon selbstverständlich unberührt.

Begründung

Zu den ökologischen Funktionen von Wegeseitenrändern siehe Ausführungen im Abschnitt Sachverhalt.

Im Gegensatz zu einjährigen Blühstreifen-Einsaaten (Stichwort „Hilter blüht auf“), die ebenfalls einen Beitrag zur Verbesserung des Landschaftsbildes sowie Nahrungsflächen für weit verbreitete Insekten wie Honigbienen und andere Tiere bieten, wird der Vorteil einer derartigen Pflege darin gesehen, dass der Vernetzungsaspekt (Biotopverbund) berücksichtigt wird und neben den weit verbreiteten Insektenarten auch solche unterstützt werden, die speziellere Ansprüche aufweisen.

Die Kosten durch eine räumlich angepasste Pflege bzw. Nichtnutzung werden als gering eingeschätzt bzw. gehen sogar mit einem Einsparpotenzial einher.

Neben der ökologischen Bedeutung erfüllen die Seitenstreifen auch eine technische Funktion im Verkehrsraum durch die Stabilisierung der Fahrbahnränder. Durch Pflügen von Wegerandstreifen und der damit verbundenen Zerstörung des gewachsenen Bodengefüges können Lasten über den Seitenstreifen nicht mehr optimal abgefangen werden. Infolge dessen kommt es zu Beschädigungen des Fahrbahnbelags (Längsrisse parallel zum Fahrbahnrand, Spurrillen). Seitenränder in ihrer ursprünglichen vorgesehenen Ausdehnung verlängern die Lebensdauer der Straßenbeläge. Dadurch werden sowohl die Unterhaltungskosten im Straßenbau reduziert als auch die Verkehrssicherheit erhöht.

Die Sicherung der gemeindeeigenen Flächen obliegt ohnehin der Gemeinde und eine naturverträgliche Nutzung ergibt sich aus den Zielen des Bundesnaturschutzgesetzes sowie darüber hinaus aufgrund der zahlreichen aktuellen Entwicklungen mit Meldungen zu Insektensterben, Lebensraumverlust sowie Flächenversiegelung im Siedlungs- und Außenbereich.

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